Sessionsbrief Juni 2020

Sessionsbrief Juni 2020
2. Juni 2020 Lea Kärcher
In Sessionsbriefe

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Damen und Herren

Die vergangenen Wochen waren von einem einzigen Thema geprägt: der Coronakrise. Sie trifft uns alle, sie trifft alle Branchen. Die Zeit der gemeinsamen Bewältigung hat begonnen.

Wie der Umgang mit den Geschäftsmieten gestaltet werden soll, solange Unternehmen nicht oder nicht vollständig arbeiten und produzieren können, stellt in der politischen und in der öffentlichen Diskussion eine zentrale Frage dar. Beide Wirtschaftskommissionen (WAK) bekräftigen mittels unterschiedlich ausgerichteter Motionen ihren Willen zu einer politischen Lösung. Der ursprüngliche Vorschlag der nationalrätlichen WAK war völlig unverhältnismässig und hätte viel zu weitreichende Eingriffe in die privatrechtlich vereinbarten und verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Vermieter gehabt. Aus diesem Grund hatte der VIS gegenüber der WAK-S einen eigenen eingebracht. Nachdem der Ständerat diesen Vorschlag im Kern übernommen hatte, liegen nun übereinstimmende Motionen beider Wirtschaftskommissionen vor. Auch wenn der neuste Vorschlag den Einwänden des VIS teilweise Rechnung trägt, lehnen wir ihn klar ab.

Lesen Sie im vorliegenden Brief die Einschätzung und Haltung des Verbandes Immobilien Schweiz sowie Stellungnahmen zu weiteren aktuellen Vorlagen aus dem Immobilienbereich.

Danke für Ihr Interesse und Ihr Engagement!

Daniel Fässler
Präsident VIS
Ständerat


COVID-19: Individuelle Mietverträge erfordern individuelle Lösungen

Die zur Eindämmung des Coronavirus per Notrecht verordnete Schliessung von Läden, Restaurants und weiteren Betrieben für rund sieben Wochen stellt das Parlament vor die Frage, ob die Klärung der sich daraus ergebenden, mietrechtlichen Fragen den betroffenen Mietparteien überlassen werden kann, oder ob sich die Politik mit konkreten Anordnungen einmischen soll. Die mietrechtliche Grundsatzfrage, ob eine Betriebsschliessung auf Grund der COVID-19 – Massnahmen des Bundesrates einen Mangel am Mietobjekt darstellt und den betroffenen Mieterinnen und Mietern daher eine Mietzinssenkung zusteht, bleibt offen.

Die Wirtschaftskommissionen von Nationalrat und Ständerat haben einen staatlichen Eingriff gefordert, der diese Unklarheit – vermeintlich – beseitigen und ganz oder teilweise einheitliche Regelungen vorschreiben soll.

Der VIS betont:

  • Jeder politische Eingriff in die privatrechtlichen Mietverhältnisse wird neue Ungerechtigkeiten schaffen. Langwierige Gerichtsverfahren können damit nicht in allen Fällen verhindert werden.
  • Die Grundsatzfrage, ob es sich bei der Schliessung um einen mietrechtlichen Mangel am Mietobjekt handelt, bleibt offen.
  • Eine allfällige staatliche Regelung einer privatrechtlichen Frage muss verhältnismässig, klar definiert und zugunsten jener sein, welche zur Überbrückung der krisenbedingten Ausfälle am ehesten auf Unterstützung angewiesen sind. Es sind dies die kleineren Unternehmen.
  • Ein möglicher staatlicher Eingriff zur Bewältigung der COVID-Krise darf keinen Präzedenzfall schaffen.

Zu den neuen Motionen der WAK-N (20.3451) und der WAK-S (20.3460)

Nachdem Vorschläge der ständerätlichen und nationalrätlichen Wirtschaftskommissionen von der jeweils anderen Kommission bzw. den Räten verworfen wurden, hat die WAK-N an ihrer Sitzung vom 12. Mai in Anlehnung an bestehende Entwürfe nochmals eine alternative Regelung konzipiert. Die WAK-S unterstützt diesen Vorschlag und hat am 19. Mai eine gleich lautende Motion 20.3460 eingereicht:

  • Unternehmen, deren Betriebe vom Bundesrat aufgrund von COVID-19 geschlossen wurden, sollen ihrem Vermieter für die Dauer der behördlichen Schliessung 40% der Mieten schulden. Diese Regelung soll für Mietverhältnisse mit einem Mietzins bis CHF 15’000 zwingend gelten, bei einem Mietzins von CHF 15’000-20’000 fakultativ (opt-out).
  • Indirekt betroffene Unternehmen, die ihre Aktivitäten reduzieren mussten, sollen bis maximal zwei Monate von derselben Ermässigung profitieren können.
  • Für Vermieter soll ein Härtefallfonds von CHF 20 Mio. geschaffen werden.

Bei einer Annahme der Motionen in beiden Räten erhielte der Bundesrat bereits in der Sommersession den Auftrag zur Umsetzung.

Der VIS vertritt grundsätzlich die Haltung, dass Mietverhältnisse privatrechtlich zu regeln sind und die Mietparteien individuelle Lösungen finden sollen. Die nun von der WAK-N und von der WAK-S vorgeschlagene Lösung betrifft rund 90% der betroffenen Mietverhältnisse, ist starr und übersieht die individuell unterschiedlichen Situationen. Der vom VIS bei der WAK-S eingebrachte Kompromissvorschlag wäre demgegenüber vorab kleineren und ausschliesslich direkt von einer Schliessung betroffenen Unternehmen zugutegekommen. Die Motionen 20.3451 und 20.3460 gehen weit darüber hinaus, schaffen Unsicherheit und überzogene Erwartungen. Der VIS lehnt die beiden Vorstösse daher ab.

Der VIS hat die Vermieter seit Beginn der Krise aufgerufen, proaktiv auf ihre Mieter zuzugehen und individuelle Lösungen zu vereinbaren. Es wurden denn auch mittlerweile nicht nur zahlreiche Stundungen, sondern auch sehr viele Mieterlasse gewährt. Hätte die Politik nicht begonnen, sich in das private Mietrecht einzumischen, würden heute in noch viel mehr Mietverhältnissen bereits abschliessende Vereinbarungen vorliegen.


Das Mietrecht: Aktuelle Bestrebungen

Weiterhin aktuell und hängig sind verschiedene Vorstösse, mit denen unter anderem Anpassungen bei den Bestimmungen zum Mietzins verlangt werden. Nationalrat Olivier Feller (FDP) fordert mit der parlamentarischen Initiative 17.491, die Berechnung der zulässigen Rendite sei gesetzlich festzulegen, statt sie wie bisher dem Bundesgericht zu überlassen. Nationalrat Philippe Nantermod (FDP) beantragt angesichts der Negativzinsen und dem Einbruch der allgemeinen Kapitalkosten eine Anpassung der Regeln zum missbräuchlichen Mietertrag (Pa. Iv. 17.514). Ständerat Carlo Sommaruga (SP) wiederum verlangt eine Anpassung des Mietrechts, um flexiblere Regelungen zugunsten mobilitätsbehinderter Menschen aufzunehmen (Mo. 18.3932).

Der VIS betont: Mietrechtsanpassungen müssen so konzipiert sein, dass sie für alle gelten und allen dienen. Das Mietrecht schützt Mieterinnen und Mieter heute auf solide und gute Art. Gleichzeitig hat es die Immobilieninvestoren und Immobilieneigentümer nicht unnötig einzuschränken und es darf deren Handlungsspielraum nicht beschneiden. Deren Leistung für die gesamte Schweizer Volkswirtschaft und ihr Engagement für ein gutes Angebot auf dem Miet- und Wohnungsmarkt ist unbestritten und in der Schweiz auf einem anerkannt hohen Niveau. Allfällige Mietrechtsänderungen sind daher mit Zurückhaltung anzugehen.


Vorschau wichtige Geschäfte Sommersession 2020

  1. Juni, Ständerat: 20.3077 (Ip.) Energetische Sanierung von Gebäuden. Der Bund muss schneller und umfassender handeln.
  2. Juni, Nationalrat: 16.498 (Pa. Iv.) Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller. (Fristverlängerung)

VIS-Sessionsanlass Herbstsession 2020

Bitte reservieren Sie sich den Dienstag, 8. September 2020 ab 12.30 Uhr, Hotel Bern, Zeughausgasse 9, 3011 Bern

„Wohnungswesen und Immobilien: Eine politische Tour d’Horizon“

Analyse und Erläuterungen von Bundesrat Guy Parmelin (Vorsteher des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF)

Die COVID-Krise illustriert es überdeutlich, die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» zeigte es und die aktuellen Bemühungen um Anpassungen im Mietrecht sind Ausdruck davon: Investitionen in Immobilien und das Immobilienwesen an sich bieten Anlass zu kontroversen politischen Auseinandersetzungen. Bundesrat Guy Parmelin zeigt auf, wie das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure im Wohnungswesen organisiert ist, welche regulatorischen Änderungen im Raum stehen und welche Erwartungen er an die einzelnen Akteure hat. Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion im Anschluss.

Anmeldungen nehmen wir gerne per Mail an contact@vis-ais.ch entgegen.